Speak & Spell
"London im Depeche Mode Fieber ..."
Die Meldung kam per Telex. Am 19.10. war es. Genau zehn Tage vor Veröffentlichung des ersten "Depeche Mode"-Albums. Daniel Miller, Boss der Einmann-Firma "Mute Records", schickte sie über den Ticker: "60 000 LP's vorbestellt - das ist Silber, Leute". Einen Tag später allerdings kam die Korrektur: "Vergeßt das 'Silber'. Wir haben Gold"! Gold, das bedeutet in England 100 000 verkaufte LP's. Depeche Mode hat 100 000 V o r b e s t e l l u n g e n. Neun Tage vorher. Für den Melody Maker ist die Diagnose klar: "Die Londoner Szene liegt im 'Depeche Mode'-Fieber".
Dabei fing alles so harmlos an. Auf dem Lande: Im Städtchen Basildon, in der Grafschaft Sussex, trafen sich vor knapp einem Jahr vier Jugendliche: Vince Clark, mit zwanzig der älteste, war Gitarrist in einem Folkduo, Martin Gore, 19, Keyboarder in einer Rockband, Andrew Fletcher, schrubbelte so für sich auf seiner alten Fender herum und Dave Gahan, 18, fand, daß er seit dem Stimmbruch "wirklich Sex in der Stimme hat".
Die Vier beschlossen eine Band zu gründen. Und weil sie außer ihrer Liebe zur Musik noch ein Faible für Synthie-Klänge verband, war die Richtung klar: "Synthesizer-Musik soll es sein". Der Name wurde schnell gefunden: Depeche Mode. `Wir fanden den Klang dieser französischen Wörter einfach gut", sinniert Vince Clark. Depeche Mode ("Modedepeche"), so heißt eine französische Zeitschrift. Bereits knapp ein Jahr später wurde der Name zum Synonym für einen erfrischenden neuen Elektronik-Sound. Großen Anteil daran hatte dabei Daniel Miller. Miller, seines Zeichens Elektronik-Bastler und Inhaber des Mute Labels, hatte zuvor schon die zweite LP der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft produziert. Jetzt konzentrierte er sich voll auf die technische Betreuung der Band: Miller gab den Jungs Tips, besorgte ihnen das richtige Equipment und stimmte den Sound optimal ab. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Ihre erste Single "Dreaming Of Me" erschien im März 1981 und kam in die englischen "Top Thirty", ihre zweite Single "New Life" (Mai 1981) in die "Top Twenty" und ihre aktuelle Single "Just Can't Get Enough" schaffte die "Top Ten". Dazwischen lieferte die Band Konzerte, die durch deren Fans zu wahren Tanz-Orgien gestaltet wurden. Man könnte meinen, die Fans könnten niemals genug kriegen von dem New-Pop der Depeche Mode", schrieb der New Musical Express. Und das in den für Englands Jugend nicht gerade rosigen Zeiten. "Das Empire fällt und die Fans tanzen", bemerkt Bernd Gockel vom Musikexpress. Für den deutschen Sounds ist die Musik der Depeche Mode denn auch die wohl aktuellste Zustandsbeschreibung der Atmosphäre in England.
Jetzt legen die vier von Depeche Mode ihre erste LP vor. Und nicht nur aufgrund der 100 000 Vorbestellungen glaubt der Melody Maker, daß es "jetzt erst richtig losgeht mit den Synthie-Poppern". Bei einer ersten Vorab-Besprechung der LP kam der Rezensent zeitweise ins schwelgen: "... so transparent, hell, so klar, glitzernd, voll von neuem Leben (Wortspiel mit 'New Life' ...) - es ist ein Wunder, daß sie (Depeche Mode) nicht permanente Tanzschatten in die Wände einbrennen so beginnt die enthusiastische Kritik des Melody Maker. Manfred Gillig von Audio siehts weniger poetisch, dafür vielleicht verständlicher: "Depeche Mode zeigt den Riecher für den Stoff, aus dem Hits gemacht werden. Einfach und frisch". Und Daniel Miller freut sich über die Reaktionen: "England ist im Depeche Mode-Fieber ...".
(Quelle: Intercord Presse Info zum Release)
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